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AdBlue: Das Zünglein an der Waage

Von Tobias Löffelsend, Sprecher des BFA für Verkehr und Infrastruktur



wolfgang.kaiser@bfa-verein.de
AdBlue: Ein Thema nicht nur für Dieselfahrer

Beim Thema »AdBlue« wird es technisch, denn viele Menschen, mit Ausnahme von Besitzern dieselbetriebener Kraftfahrzeuge, deren Wagen der aktuellen Abgasnorm EURO 6 unterliegen, werden wahrscheinlich zunächst einmal gar nicht wissen, was AdBlue eigentlich ist.


Aber auch jene, die keinen Diesel fahren, werden wegen drohenden Verknappungserscheinungen mittelbar betroffen sein.


Bei AdBlue handelt sich um ein farbloses Additiv, welches über Injektoren in den SCR-Katalysator gespritzt wird. Die chemische Reaktion im SCR-Katalysator ist selektiv, das heißt, dass bevorzugt die unerwünschten Stickoxide reduziert werden, während ebenfalls unerwünschte Nebenreaktionen, wie die Oxidation von Schwefeldioxid zu Schwefeltrioxid, weitgehend unterdrückt werden.


Für die Reaktion wird Ammoniak benötigt, das dem Abgas zugemischt wird. Die Produkte der Reaktion sind Wasser und Stickstoff. Bei der Reaktion handelt es sich um eine Komproportionierung (chemische Reaktion, bei der ein Element, dass in zwei verschiedenen Oxidationsstufen vorliegt, gleichzeitig oxidiert und reduziert wird) der Stickoxide mit Ammoniak zu Stickstoff. So viel zur Erklärung.


Nun kostete der Liter AdBlue vor der Pandemie im Durchschnitt 45 Eurocent. Aktuell beläuft sich der Literpreis auf 1,80 Euro. Der PKW-Dieselfahrer wird zwar schimpfen, aber bei den relativ kleinen Mengen, die benötigt werden, wird er die Verteuerung vermutlich noch verschmerzen.


Anders sieht es bei Linien- oder Reisebussen oder aber im LKW-Bereich aus. Hier verzeichnen wir leistungsbedingt einen deutlich höheren Verbrauch. Zusätzlich zu den ohnehin gestiegenen Kraftstoffkosten, ist dies eine deutliche Mehrbelastung.


Doch das Kernproblem liegt woanders, denn die Versorgung mit AdBlue ist in Gefahr, und einer der größten AdBlue-Produzenten musste kürzlich wegen Gasmangels die Produktion sogar einstellen.

Täglich werden zwischen 2,5 und 5 Millionen Liter dieses Additives benötigt, was somit einen Jahresverbrauch von etwa 1,2 Milliarden Liter darstellt.

Rund 40 Prozent der deutschen AdBlue-Produktion stammt von der SKW Stickstoffwerke Piesteritz GmbH aus Wittenberg in Sachsen-Anhalt. Dort stand die Produktion zwei Wochen still. In der Bundesregierung hat man den Ernst der Lage offenbar noch nicht erkannt. Noch haben viele Unternehmen AdBlue-Reserven, aber wenn diese aufgebraucht sind und nicht genügend neu produziert wird, tritt sehr schnell eine dramatische Knappheit ein. Dann herrscht Stillstand in Deutschland – vor allem bei einem Großteil der Lastkraftwagen, die unsere Supermärkte beliefern und auch bei vielen Baustellenfahrzeugen sowie bei Traktoren in der Landwirtschaft. In Zahlen bedeutet dies fast 800.000 Fahrzeuge täglich, die dann stehen.


Und das betrifft dann auch die Benzin-Fahrer, die vielleicht bis jetzt gedacht haben: „Was geht mich das an?“

Einfach kein AdBlue nachzutanken, ist wegen der EU-Vorschriften keine Lösung, denn ist der AdBlue-Tank leer ist und der Fahrer missachtet mehrere Warnstufen, lässt sich der Motor nicht mehr starten. Ein NOX-Sensor überwacht permanent das Abgas.


Dass die Bundesregierung die konkreten Probleme der Logistik-Branche nicht unbedingt auf dem Zettel hat, mag auch daran liegen, dass in den Plänen der Politik, der Dieselmotor eigentlich ein Auslaufmodell ist. Schon im kommenden Jahrzehnt soll schließlich, beginnend mit den Personenkraftwagen, der Dieselantrieb in Neuwagen verboten und innerhalb weniger Jahre der komplette Verkehr elektrifiziert werden. Die Beschlüsse der Politik sind allerdings von der Realität auf den Straßen noch meilenweit entfernt, vor allem beim LKW-Verkehr: Der Elektro-LKW mag in der Zukunft eine Alternative sein, aktuell fahren im Transportgewerbe allerdings nur 0,01 Prozent aller schweren LKW mit E-Antrieb.

Die Regierung wird nicht umhinkommen, sich mit diesem Problem zu befassen, denn: Ohne Lastkraftwagen keine Lebensmittel und ohne Linienbusse auch kein öffentlicher Personennahverkehr.




(BFA - 07.10.2022)


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