Das 9-Euro-Ticket: Ein gescheitertes Ampel-Projekt
Von Tobias Löffelsend, Sprecher für Verkehr und Infrastruktur

Wie kann eine Regierung am schnellsten auf den Missstand des Schienennetzes aufmerksam machen? Richtig: durch die Einführung des 9-Euro-Tickets – die mit Abstand beeindruckendste Variante, sich deutlich zu verschätzen.
Aber beginnen wir am Anfang: Die Bundesregierung plante zur Entlastung im Pendelverkehr das 9-Euro-Ticket, um vor allem Berufspendler vom Auto in den Öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV) zu bewegen. Das mag in Großstätten wie Hamburg, Berlin oder München eine wunderbare Idee sein. Gute Taktdichten und moderne Fahrzeuge sind gerade dort durchaus ein Anreiz. Aber wie sieht es mit dem restlichen Teil Deutschlands aus, mit den vielen Berufspendlern in den ländlichen Regionen?
Schlechte Infrastrukturen im ÖPNV führen dazu, dass es mehr als unattraktiv ist, auf das Auto zu verzichten. Fahrzeiten mit Bus und Bahn von bis zu zwei Stunden je Richtung, um von A nach B zu kommen, sind schlichtweg Zeitverschwendung und für viele Menschen einfach nicht machbar.
Aber das 9-Euro-Ticket ist zumindest für eine Gruppe hervorragend geeignet: Schüler, Studenten und Familien, welche am Wochenende die Möglichkeit sehen, Deutschland zu erkunden.
Dennoch gelangt man immer wieder zum Ausgangsproblem, nämlich der beschämenden Tatsache, dass die Züge überfüllt sind, die Taktdichte gar nicht gegeben ist, und wir über ein desolates Schienennetz verfügen, welches dringend saniert und auf den neusten Stand der Technik gebracht werden muss. Denn nur mit dem neuen European Train Control System (ETCS) sind Steigerungen von bis zu 20 Prozent möglich, was zu einer vernünftigen Taktdichte mit enger Zugfolge führt.
Selbst Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) musste kleinlaut zugeben, dass er ein marodes Schienennetz übernommen hat und im Straßenverkehr zusätzlich noch 4000 marode Brückenbauwerke.
Ebenfalls bleibt festzustellen, dass die deutsche Regierung abermals nicht von seinen Nachbarn lernen möchte. Ja, keine Frage: Neun Euro sind günstig. Doch was nutzt es, wenn man gar nicht in den Zug kommt, weil dieser schon überfüllt ist und der nächste erst in ein bis zwei Stunden kommt?
Österreich lebt es uns vor. Dort nennt man es »Klimaticket«. Für drei Euro am Tag darf man im Nachbarland bundesweit den Nah- und Fernverkehr nutzen. Egal ob IC, EC, Railjet, Bus oder Straßenbahn: alles darf genutzt werden.
Dies wäre für Berufspendler sicherlich reizvoller als ein 9-Euro-Ticket und würde die Zielgruppe besser erreichen, als Schüler oder Studenten, die mit einer Kiste Bier auf Reisen gehen, um Sylt zu erobern.
Drei Euro pro Tag, also 1.095 Euro/Jahr. Das wäre doch revolutionär. Damit sähe die Deutsche Bahn mit Ihrer »BahnCard 100« für 4.144 Euro ziemlich alt aus.
Es würde aber sicherlich zu der erwarteten Trendwende führen, doch niemand in Berlin scheint einen Gedanken an diese Idee zu verschwenden.
Der BFA fordert den Bundesverkehrsminister zum Blick nach Österreich auf. Volker Wissing sollte sich von einer Idee inspirieren lassen, die nachweist, dass fast 58 Prozent der Berufspendler und Autofahrer zumindest über diese Idee nachdenken.
Also keine bereits gescheiterte 9-Euro-Schnellschüsse, sondern Verkehrspolitik mit Vernunft und Nachhaltigkeit.
(BFA - 27.06.2022)