Deutschlands Bauwirtschaft geht in die Knie
Von Steven Rosick, Sprecher für Bauen und Wohnen

Niemand wundert es inzwischen, dass die Bundesregierung abermals ein Versprechen platzen lassen muss.
Das von der Ampel groß angekündigte Ziel, jährlich 400.000 neue Wohnungen zu schaffen, scheint momentan in weite Ferne zu rücken.
Die aktuelle Lage ist mehr als düster, denn derzeit spielen gerade im Wohnungsbausektor viele Faktoren negativ zusammen, insbesondere:
eine extreme Inflation im Bausektor;
Materialknappheit;
Fachkräftemangel;
steigende Bauzinsen;
hoher bürokratischer Aufwand;
sehr hohe Vorgaben an die energetische Beschaffenheit der Gebäude.
Die Summe all dieser Faktoren spiegelt sich im größten Bauüberhang seit 26 Jahren wider. Zwar wurden 2021 mit 380.736 Wohnungen 3,3% mehr als im Corona-Jahr 2020 genehmigt, doch fertig gestellt wurden lediglich 293.393 Wohnungen. Damit ergibt sich insgesamt, also mit den vorjährlichen Werten, ein Überhang von 846.467 genehmigten, aber noch nicht gebauten Wohnungen - dem höchsten Wert seit 1996.
Tatsächlich ist 2021 die Zahl der fertig gestellten Wohnungen gegenüber dem Corona-Jahr 2020 sogar um 4,6% gesunken, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Dies betrifft vor allem den privaten Sektor der Einfamilienhäuser mit einem Minus von 10,4% und der Zweifamilienhäuser mit 1,7% weniger fertig gestellten Wohnungen. Auch bei den Mehrfamilienhäusern gab es einen Rückgang in der Fertigstellung von 3,6%.
Weiter zeigt sich die Entwicklung im dramatischen Rückgang der Anträge im ersten Quartal 2022. Hier ging auch die Zahl der genehmigten Wohnungen um 3,5% auf 80.603 gegenüber dem 1. Quartal 2021 zurück. Der Blick auf die Einzelwerte zeigt, dass die Antragseingänge, auch hier gerade wieder im privaten Sektor der Einfamilienhäuser, um über ein Viertel, genauer um 26,2% gesunken sind. Im Bereich der Zweifamilienhäuser gingen die genehmigten Anträge um 3,3% zurück. Lediglich der Mehrfamilienhaussektor verzeichnet noch ein Plus von 12,5% bei den genehmigten Anträgen.
Inwiefern dies aufgrund der Material- und Handwerkerknappheit sowie der unzuverlässigen Förderrichtlinien tatsächlich realisiert werden kann, bleibt abzuwarten.
Ein weiterer Grund für die negative Entwicklung im Wohnungsbau ist der stärkste Preisanstieg bei Baumaterialien seit Aufzeichnungsbeginn beim Statistischen Bundesamt. So verteuerte sich 2021 Konstruktionsvollholz um 77,3% und Betonstahl um 53,2%. Selbst Spanplatten, erzeugt aus dem Abfallprodukt Sägespäne, haben sich um 23,0% verteuert. Auch Kupfer, welches in Heizungsleitungen und Elektrokabeln verwendet wird, verteuerte sich um 26,9%. Die Arbeitsleistungen selbst zogen aufgrund der gestiegenen Material- und Energiepreise ebenfalls deutlich an.
Diesen negativen Ausgangspunkten schloss sich schließlich noch eine sehr unsichere politische Vorgabe an, insbesondere durch das Hin und Her der Förderrahmen. So wurde die Förderung der Effizienzhäuser, also Neubauten, die mit effizienten Heizungsanlagen nur einen sehr geringen CO2-Ausstoß aufweisen, nach »KfW 55« und »KfW 40« zum 24. Januar 2022 plötzlich gestoppt. Begründet wurde es mit hohen Kosten und einer Antragsflut. Nach massiven Protesten wurde das Programm zumindest für KfW-40-Häuser am 24. April wieder aufgenommen, um bereits am Mittag desselben Tages zu verkünden, dass die nun bereitgestellten Mittel bereits wieder erschöpft wären. Somit war das Programm wieder beendet.
Im weiteren Jahresverlauf ist mit einem weiteren Rückgang der Bautätigkeit zu rechnen, steigen doch seit März nun auch die Bauzinsen überproportional. So lag der Durchschnittszins vor fünf Monaten für einen 10-jährigen Standard-Baukredit bei 0,9%. Bereits im April lag er nach Angaben der FMH-Finanzberatung, die im Baufinanzierungssektor alle gängigen Dienstleister einer Prüfung unterziehen, bei 2,12% - also mehr als doppelt so hoch.
Für Mitte des aktuellen Jahres rechnen Experten mit mehr als 3%. Hintergrund der Zinsentwicklung sind zum einen die angekündigten Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank.
Letztlich aber, heizt auch die Inflation dieses Thema überdurchschnittlich an.
(BFA - 06.07.2022)