Eines ist sicher: Der nächste Winter kommt!
Von Martin Wienert, energiepolitischer Sprecher des BFA

Mit dem drohenden Aus russischer Gaslieferungen ist Deutschland schmerzhaft in der Realität angekommen.
Forderten Politiker gestern noch „Frieren für den Frieden“ und einen Stopp der Gaslieferungen aus Russland, hat Wladimir Putin nun den Spieß umgedreht und seinerseits die russischen Liefermengen erheblich gedrosselt. Allein der Durchfluss von »North-Stream 1« verringerte sich im Juni dieses Jahres von 12 TWh pro Woche auf nur noch 5,65. Zudem scheint ein vollständiger Lieferstopp nicht mehr ausgeschlossen.
Nun werden die Folgen einer Politik deutlich. Eine Politik, die zugelassen hat, dass sich Deutschland in der Versorgung mit Erdgas zu 55% von einem einzigen Lieferanten abhängig gemacht hat. Spätestens nach der gewaltsamen Annexion der Krim hätten die verantwortlichen Politiker, damals eine Koalition aus CDU/CSU und SPD, aufwachen müssen. Geschehen ist jedoch wenig bis nichts.
Die Folgen dieser naiven Politik werden für Deutschland erheblich sein.
Folge Nummer Eins:
Der Energiewende geht die Luft aus
Windkraft ist eine volatile Energieform mit einer sehr niedrigen Energiedichte. Wer viel Strom benötigt, braucht also viele Windräder und viel Wind. Gibt es keinen Wind, dann gibt es auch keinen Strom. Damit ist Windenergie nicht grundlastfähig.
Deshalb müssen für die vielen Windräder entsprechende Back-Up-Kapazitäten geschaffen werden, die im Falle einer Flaute schnell aktiviert werden können, wozu besonders Gaskraftwerke geeignet sind. So sollen in dieser Legislaturperiode allein der Bau von bis zu 80 neuen Gaskraftwerken initiiert werden.
Ohne eine sichere Gasversorgung sind aber diese Pläne Schall und Rauch. Speichertechnologien für Windstrom stehen in dem benötigten Umfang nicht ansatzweise bereit, und die Wasserstofftechnologie steckt noch in den Kinderschuhen.
Damit bewahrheitet sich: die gesamte Energiewende beruht auf einer Wolke russischen Erdgases!
Folge Nummer Zwei:
Frieren ist angesagt
Eine ausreichende Energieversorgung ist für den kommenden Winter nicht sichergestellt. Erste LNG-Lieferungen, also von Flüssigerdgas, werden nach Erwartungen des Branchenverbandes Gas wahrscheinlich erst ab Februar zu erwarten sein. Bestenfalls werden zwei LNG-Terminals einsatzbereit sein, über die dann acht bis neun Milliarden Kubikmeter Gas fließen werden. Dazu müssen noch Pipelines zur Anbindung an das Gasnetz gebaut werden. Zum Vergleich: die russischen Gaslieferungen hatten 2020 einen Umfang von 56,3 Milliarden m3 pro Jahr.
Das bedeutet, dass nicht mehr alle Unternehmen, öffentlichen Gebäude und Haushalte ausreichend mit Wärme versorgt werden können.
Eine Abhilfe ist kurzfristig nicht möglich. Viele Verbraucher haben den drohenden Engpass längst erkannt. Die Nachfrage nach Holzöfen explodiert ausgerechnet mitten im Hochsommer.
Folge Nummer Drei:
Drohende tiefe wirtschaftliche Rezession und Verarmung breiter Bevölkerungsschichten
Werden die Preissteigerungen für Gas ungefiltert an die Endkunden weitergegeben, sind zwei Szenarien wahrscheinlich:
Erstens droht der deutschen Industrie ein gravierender Wettbewerbsnachteil, der unmittelbar zu Auftragseinbrüchen, Pleiten und Arbeitslosigkeit führen wird. Die durch steigende Energiepreise zusätzlich angeheizte Inflation, wird diese verhängnisvolle Entwicklung weiter beschleunigen.
Zweitens werden sehr viele Privathaushalte ihre Energierechnungen nicht mehr begleichen können und zahlungsunfähig werden.
Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmer (VKU), warnt davor, die gestiegenen Beschaffungskosten unmittelbar an die Verbraucher weiterzugeben: "Zum anderen werden viele Kunden die höheren Preise nicht zahlen können. Das wiederum würde auch viele unserer eigentlich kerngesunden Stadtwerke in Liquiditätsnöte und schlimmstenfalls an den Rand der Insolvenz bringen. Wenn dann eine kritische Masse an Stadtwerken kippen würde, könnte das eine Kettenreaktion auslösen. Das könnte zu chaotischen Zuständen am Energiemarkt führen, die definitiv die gesamte Energiewirtschaft in die Bredouille bringen und die Versorgungssicherheit quasi von Grund auf gefährden würde."
Was ist zu tun?
In dieser hochdramatischen Situation muss die Politik verantwortungsvoll handeln und alle Optionen der Energieerzeugung und Versorgungssicherung in Betracht ziehen, ohne an Dogmen und ideologischen Denkbremsen festzuhalten.
Etwa 12 Prozent der deutschen Gasimporte werden direkt zur Stromerzeugung verwendet, etwa 35 Prozent gehen in die Industrie und werden dort größtenteils zur Erzeugung von Prozesswärme benötigt. Der Rest geht in Fernwärmeversorgung, Gewerbe, Handel, Dienstleistungen und private Haushalte.
Experten zufolge sitzt Deutschland auf Erdgasvorräten, die eine autarke Gasversorgung auf Jahrzehnte ermöglichen würde. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BG) schätzt, dass im deutschen Schiefergestein 2,3 Billionen Kubikmeter Erdgas lagern. BGR-Präsident Hans Joachim Kümpel hält eine jährliche Fördermenge von 20 Milliarden Kubikmetern für möglich und das über Jahrzehnte hinaus.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck lehnt diese Chance jedoch als „nicht hilfreich“ ab. Lieber macht man sich, so scheint es, von Despoten in Katar abhängig oder importiert Frackinggas aus den Vereinigten Staatem.
Dabei sind sich Gutachter, Geologen und Wissenschaftler einig, dass die Risiken beim Fracking leicht beherrschbar wären. Leider haben Kampagnen und irreführende Medienberichte über verseuchte Landschaften und berennende Trinkwasserleitungen in der Bevölkerung eine ablehnende Haltung hervorgerufen, ähnlich der Anti-Atomkraft-Bewegung.
Aber ist es verantwortungsvolle Politik wider besseres Wissen, den Ängsten der Bevölkerung klein nachzugeben, anstatt auf Aufklärung und Machbarkeit zu setzen?
Ist es nicht eine scheinheilige Doppelmoral, Atomkraft und Fracking abzulehnen, aber Atomstrom und Frackinggas zu importieren?
Auch die verbliebenen drei deutschen Atomkraftwerke könnten einen wichtigen Beitrag leisten, indem sie helfen, die Grundlastversorgung mit Strom zu sichern und somit beizutragen, Gas für den Winter zu sparen. Ein Weiterbetrieb wäre laut eines Gutachtens des TÜV Süd problemlos möglich.
Genauso könnten die im letzten Jahr vom Netz genommen Kernkraftwerke wieder in Betrieb genommen werden.
Und ja, auch mit Strom lässt sich heizen und die, die sich den Luxus eines Holzofens nicht leisten können, werden sicherlich ein elektrisches Heizgerät bevorraten, um im Winter nicht plötzlich ohne Wärme dazustehen.
Abschließend ein Ratschlag an die Adresse der Politik: Nicht Dogmen, Denkverbote und Ideologien lösen Probleme, sondern Mut, Tatkraft, Kreativität, Realismus und Pragmatismus!
Ein „weiter so“ darf es nicht geben. Ansonsten wird Energie in Deutschland bald nicht mehr zu bezahlen sein.
(BFA - 23.07.2022)
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