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Liberales Manifest (2022)

von Dr. Günter Dedié



wolfgang.kaiser@bfa-verein.de
Dr. Günter Dedié

Die ordoliberale Soziale Marktwirtschaft ist eine bekannte Wirtschafts- und Sozialordnung der Gesellschaft, die in der Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die 1980er Jahre sehr erfolgreich war, und auf die sich auch heute noch viele Liberal-Konservative einigen könnten.


Dieses Manifest soll die Soziale Marktwirtschaft im gegenwärtigen Niemandsland zwischen den marktbeherrschenden Großkonzernen der Digital-, Real- oder Finanzwirtschaft („Monopole“) und dem links-grünem Neokommunismus der Frankfurter Schule einordnen, einfach verständlich darstellen und wieder zu neuer Attraktivität erwecken, nach dem Motto von Yuval Noah Harari: „In einer Welt, die überflutet wird von bedeutungslosen Informationen, ist Klarheit Macht.“


Die Bezeichnung ordoliberal bedeutet, dass es für den Markt im Sinne der Erweiterten Ordnung Hayeks (siehe unten) sowohl angemessene Rahmenbedingungen gibt als auch möglichst große Freiräume für die selbstorganisierten Prozesse der Marktteilnehmer.


Das Liberale Manifest soll die Erklärung wichtiger gesellschaftspolitischer Begriffe und Schlagworte auffrischen, die für das Verständnis der ordoliberalen Sozialen Marktwirtschaft und für die liberale Öffentlichkeitsarbeit von grundlegender Bedeutung sind. Gut definierte Begriffe sind notwendig als Basis für konstruktive Diskussionen und weitergehende Aussagen wie Ursache-Wirkung-Beziehungen und gesellschaftliche Entwicklungsschwerpunkte. Eine der Grundlagen für dieses Manifest ist die Österreichische Schule der Nationalökonomie. Ein Schwerpunkt ist die Aufteilung des irreführenden, mehr als 150 Jahre alten Kampfbegriffs „Kapitalismus“ in seine Anteile „industrielle Marktwirtschaft“ und „Finanzspekulation“. Die Soziale Marktwirtschaft umfasst die industrielle Marktwirtschaft, ist aber nicht verträglich mit der deregulierten Finanzspekulation.

Technische Innovationen aller Art und erfolgreiche Arbeitsmethoden wie die Marktwirtschaft, das Geld als Tauschmittel, der Kredit als Vorleistung usw. können für positive Ergebnisse in der Gesellschaft genutzt, aber auch missbraucht werden. Jede Innovation sollte deshalb von Anfang an mit ethischen Regeln gegen ihren Missbrauch „bestückt“ werden. Schon Alexander Rüstow beklagte „…die Blindheit des Liberalismus für die begrenzte Anwendbarkeit liberaler Prinzipien.“ Der schwerste Fehler bestehe in „…seinem Anspruch auf Pseudo-Universalität, seiner Blindheit für die Rahmenbedingungen und gesellschaftlichen Voraussetzungen, die seine Geltung begrenzen.“


Die Industrielle Marktwirtschaft


Die industrielle Marktwirtschaft (kurz „Marktwirtschaft“) ist eine sehr erfolgreiche, wertschöpfende Arbeitsmethode der Realwirtschaft, bei der durch Arbeitsteilung und Serienfertigung ein Mehrwert an langlebigen Produkten geschaffen wird. Ihre Anwendung erstreckt sich von mittelständischen Betrieben bis zu Großunternehmen. Entwicklung und Fertigung benötigen finanzielle Investitionen und andere Vorleistungen wie Ausbildung, Gebäude, Fertigungsanlagen usw. Diese Vorleistungen werden meist von Geschäftsbanken erbracht. Die Produkte der industriellen Marktwirtschaft ermöglichen offene Märkte für Handel und Dienstleistungen.


Die Marktwirtschaft schafft Arbeitsplätze in der Industrie, im Handwerk, im Handel und bei den Dienstleistungen und versorgt die Gesellschaft mit Gebrauchs- und Investitionsgütern. Sie ist keine Ideologie und kein ökonomisches Nullsummenspiel nach dem Motto „Wär‘ ich nicht arm, wärst du nicht reich“, denn die Marktwirtschaft hat aufgrund ihrer großen Produktivitätsfortschritte Krankheiten, Hunger und Armut weltweit zurückgedrängt, in einer Ko-Evolution auch zu großen Fortschritten in der Wissenschaft geführt und zusammen mit dem von ihm erzeugten Wachstum von Handel, Handwerk und Dienstleistungen unseren gegenwärtigen Wohlstand erzeugt.


Die Finanzspekulation


Das spekulative Investmentgeschäft der Finanzwirtschaft ist im Gegensatz zur industriellen Marktwirtschaft und der Tätigkeit der Geschäftsbanken nicht wertschöpfend, weil es einseitig und oft extraktiv („schmarotzend“) auf Spekulationen und maximale Gewinne von Geld und Geldanlagen ausgerichtet ist. Die Finanzspekulation wird von den Antikapitalisten aber mit der Arbeitsmethode der Marktwirtschaft in einen Topf geworfen und gemeinsam mit ihr verteufelt.

Kommentar

„Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, hat sich die Finanzindustrie zur mächtigsten und alles entscheidenden Größe auf unserem Planeten entwickelt. Dabei lenkt und leitet ihr Führungspersonal die Geschicke der Welt großenteils aus dem Verborgenen und auf eine Art und Weise, die selbst bei genauer Betrachtung nur schwer zu durchschauen ist. Aus diesem Grund ist es einer Unzahl von Experten gelungen, uns jahrzehntelang über ihr wahres Wirken hinwegzutäuschen“ (Erst Wolff 2017)

Der (freie) Markt


Das Ziel des freien Marktes ist der Wettbewerb, der über die Preise zur Bewertung und Qualitätsverbesserung der angebotenen Produkte und Dienstleistungen führt, und zum ökonomisch und ökologisch sparsamen Verbrauch von Ressourcen aller Art. Die wichtigste Bedingung für einen Wettbewerb ist, dass es mehrere Wettbewerber gibt, und nicht ein einzelner Wettbewerber monopolartig den Markt beherrscht. Von entscheidender Bedeutung ist auch, dass angemessene Regeln als Rahmenbedingungen für den Markt und den Wettbewerb gelten und der Staat nicht operativ, mit Subventionen oder mit Zwangsvorgaben in den Markt eingreift.


Die Erweiterte Ordnung


Die Erweiterte Ordnung nach Friedrich v. Hayek ist sowohl ein Modell des Zusammenwirkens von Menschen und Institutionen in der Gesellschaft als auch ein Modell der kulturellen Entwicklung der Gesellschaft. Sie verbindet die Prozesse der spontanen Selbstorganisation aufgrund der freien sozialen Interaktionen von Menschen und Institutionen mit den Ergebnissen des bewussten Entwurfs wichtiger Strukturen, Abläufe und Regeln als Rahmenbedingungen. Sie ermöglicht dadurch eine ausgewogene Kombination des selbstorganisierten Pluralismus mit dem strukturellen und regelbasierten Prinzip der Subsidiarität und verbindet damit die Freiheit mit der Verantwortung. Die Erweiterte Ordnung ist eine strukturelle Basis des Ordoliberalismus.


Ideologien und die mit ihnen verbundene Propaganda haben einen entscheidenden Einfluss auf die Rahmenbedingungen der Erweiterten Ordnung einer Gesellschaft: Sie schränken den Bereich der spontanen Prozesse ein, und damit die kollektive Intelligenz, den Pluralismus, die Innovationskraft und die Wettbewerbsfähigkeit der Gesellschaft. Die Herrschaft von Ideologien führt zum Herdentrieb und zur Knechtschaft durch die Entmündigung der Bürger und Institutionen. Mittelfristig destabilisieren Ideologien die Gesellschaft.


Der Ordoliberalismus und die Soziale Marktwirtschaft


Die Soziale Marktwirtschaft ist eine ordoliberale Gesellschaftsordnung. Sie verbindet die Freiheit der Bürger und Institutionen mit ihrer Verantwortung, die durch Rahmenbedingungen der Gesellschaft vorgegeben wird (Kultur, Weltanschauung, Verfassung, Gesetze, ...).


Im Modell der Erweiterten Ordnung ist sie beschreibbar durch eine symbiotische Zusammenarbeit von Arbeitgebern und Arbeitnehmern und ausgewogene Trade Offs (Antagonisten) wie Shareholder- und Stakeholder-Orientierung oder Pluralismus und Zentralismus. Sie sorgt auch für eine Absicherung der Bürger im Fall von Krankheit, Arbeitslosigkeit und im Ruhestand. Dabei sollten die staatlichen Aufgaben beschränkt sein auf die Bereitstellung und Betreuung von Infrastrukturen und Gemeingütern, sowie die Vorgabe von Rahmenbedingungen für die selbstorganisierten operativen Aufgaben der Bürger und Institutionen.


Der Liberalismus war die ursprüngliche Form der Gesellschaftsordnung während der Aufklärung und ist deshalb mit Bürger- und Menschenrechten wie Freiheit und Gleichheit (vor dem Gesetz) verbunden.


Der Neoliberalismus


Die moderne liberale Marktwirtschaft wird oft unter dem Begriff Neoliberalismus zusammengefasst. Der Neoliberalismus umfasst aber über den Ordoliberalismus hinaus auch Liberalismen, die die Freiheit oder den Markt als Schmarotzer missbrauchen.


Dazu gehören die marktbeherrschenden Großkonzerne der Realwirtschaft („Monopole“) sowie die der Finanzspekulation. In neuerer Zeit muss man auch marktbeherrschende digitale Plattformen wie Microsoft, Google, Facebook usw. dazu rechnen, sowie markbeherrschende Logistikunternehmen und superreiche Stiftungen wie die Gates/Buffet- und die Soros-Stiftung, die politisch und wirtschaftlich Einfluss nehmen. Auf der Ebene der Staaten gehört dazu auch die USA mit ihrem weltweiten Hegemonialanspruch, den sie bei Bedarf militärisch durchsetzt.


Der Neokommunismus


Der Neokommunismus ist weniger eine Ideologie als eine antikapitalistische Arbeitsmethode: Da den Kommunisten aufgrund des von der Marktwirtschaft geschaffenen Wohlstands die ausgebeuteten Arbeiter und Bauern abhandengekommen sind, haben die politischen Soziologen der Frankfurter Schule erkannt, dass das von der Marktwirtschaft geschaffene Gute in der Gesellschaft zwar selbstverständlich ist, Probleme aber für ideologisch orientierte Veränderungen ausgenutzt werden können, wenn man sie irgendwie dem Kapitalismus zuordnen kann.


Die Strategie der neokommunistischen Intellektuellen ist deshalb nicht die Revolution (die ja schon mehrfach gescheitert ist) sondern einerseits die ideologische Unterwanderung der Gesellschaft, die seit 1968 mit dem „langen Marsch durch die Institutionenbegonnen hat. Andererseits werden Probleme eskaliert, die mit dem Kapitalismus in Verbindung gebracht werden können, um Schäden zu erzeugen, die anschließend mit staatlichen Subventionen bzw. FIAT-Krediten im Sinne der Ideologien des Neokommunismus „repariert“ werden können. Dadurch kann die Gesellschaft Schritt für Schritt ideologiegerecht verändert werden.

Kommentar

Die Bundesrepublik Deutschland hat sich unter dem Einfluss des rot-grünen Neokommunismus zu einer Gesinnungsdiktatur entwickelt, bei der quasi-religiöse Ideologien auf fundamentalistische Weise mit dem Staat verbunden sind, und abweichende Meinungen zensiert, blockiert, gelöscht und kriminalisiert werden. Damit missbraucht der Staat seine Vertrauensstellung und handelt korrupt.

Ideologien


Ideologien sind einseitige Weltanschauungen, die nicht dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis entsprechen. Sie werden meist für die Eroberung und den Erhalt von Macht missbraucht. Für die Einseitigkeit einer Ideologie reicht oft schon eine einzige schwerwiegende Falschaussage, wie die Existenz eines übernatürlichen Gottes bei den Religionen, unzutreffende biologische Unterschiede der menschlichen Rassen im Nationalsozialismus oder eine falsche Kennzahl zur Klimasensitivität des CO2. Es gibt sowohl gesellschaftlich als auch ökonomisch wirksame Ideologien.


In den letzten Jahrzehnten wurden die westlichen Staaten mit mehreren Ideologien verseucht. Beispiele sind der extreme US-Neoliberalismus, die zentralistische EU a la UdSSR samt Euro und riesigen Schulden, die drohende Klimakatastrophe durch CO2 und andere Umwelt-Demagogien, die Globalisierung, die Massenmigration, die Corona-Pandemie und neuerdings die Ideologie von der Alleinschuld Russlands am Krieg mit der Ukraine. Hinzu kommen Feminismus, Genderismus und Anti-Kapitalismus. Jeder Staat, in dem eine gesellschaftliche Ideologie dominiert, ist früher oder später zu einer Diktatur geworden.


Freiheit / Pluralismus


Die unbegrenzte persönliche Freiheit von etwas und die Knechtschaft der Bürger in einer Diktatur sind Antagonisten. Die Bürger eines Staates sind aber niemals gänzlich frei; sie sollten die Kultur ihrer Gesellschaft achten und müssen die Gesetze ihres Staates befolgen.


Ebenso sind unbegrenzte Freiheit zu etwas und die notwendige Übernahme von Verantwortung durch Individuen und Institutionen Antagonisten. Für die Verantwortung gilt das Prinzip der Subsidiarität. Sowohl bei den missbräuchlichen Anwendungen des Neoliberalismus als auch bei den Neokommunisten wird die Verantwortung verdrängt. Die Ordoliberalen akzeptieren, dass die Freiheit in der Marktwirtschaft bestimmte Grenzen hat.


Ausreichende Freiheiten wovon und wozu sind notwendige Voraussetzungen für den Pluralismus und die kollektive Intelligenz in einer Gesellschaft.


Verantwortung / Subsidiarität


Ein Fundament der liberalen Gesellschaft und der Marktwirtschaft war und ist die persönliche Verantwortung der Bürger und Institutionen als Antagonist zur Freiheit. Die Verantwortung muss nach dem Modell der Subsidiarität so nah wie möglich bei den Bürgern angesiedelt und von unten nach oben strukturiert aufgebaut werden. Das ist ohne strukturierte Verantwortungsbereiche, ihre Grenzen und zugeordnete Aufgaben samt den notwendigen Rahmenbedingungen für die Erfüllung der Aufgaben nicht möglich.


Der Preis für die zu geringe Verantwortung der Bürger und Institutionen und für übermäßige Zentralisierung ist immer mehr Bürokratie und zunehmende Korruption. Wenn die Bürger nicht selbst verantwortlich sind, muss man sie bevormunden und überwachen. Das hilft aber auch nur begrenzt, denn der Staat kann bspw. nicht nachweisen, dass jemand keine chronischen Kopf- oder Rückenschmerzen hat, und kein Burnout-Syndrom.


Résumé


Die ordoliberale Soziale Marktwirtschaft ist eine Organisation der Gesellschaft, die es ermöglicht, auf optimale Weise die Rahmenbedingungen der Gesellschaft mit den spontanen, innovativen Prozessen der Bürger und Institutionen zu verbinden. Die Ordoliberalen akzeptieren, dass die Freiheit in der Marktwirtschaft bestimmte Grenzen hat. Sowohl beim gänzlich deregulierten Neoliberalismus als auch beim links-grünen Neokommunismus, die zunehmend im Verbund wirken, wird die persönliche und institutionelle Verantwortung verdrängt und der freie Markt durch Monopole und den Staat geknebelt. Pluralismus, Innovationen und Wettbewerbsfähigkeit bleiben auf der Strecke. Davon profitieren nur Großkonzerne, Vermögensverwalter und Plutokraten. Alle anderen Bereiche der Gesellschaft verlieren.

Kommentar

„Wir wollen unser Land, das viele Generationen vor uns bis hin zu unseren Großeltern, Eltern und wir selbst aufgebaut haben, nicht tatenlos verkommenen lassen oder herschenken.“ (Ernst Kögler 2021) Es ist ja nicht so, dass wir einfach nur Glück haben, in Deutschland zu leben, und jetzt die ganze Welt daran teilhaben lassen müssen.

Ein „Great Reset“ der Gesellschaft und des Staates und ein Neubeginn mit einer ideologiefreien Sozialen Marktwirtschaft ist dringend nötig.




Den vollständigen Text des Liberalen Manifests (2022) einschließlich der Schlagworte Menschenrechte, Öffentliche Meinung, Kennzahlen von Staat und Gesellschaft sowie Gemeingüter und hoheitliche Aufgaben finden Sie hier https://docs.google.com/document/d/1ck2q0gTkv7D0R3S-VwAurdpLGkku-b-UJ1UtVQeOpx0/edit



Anmerkung:

Der Artikel ist eine Expertise des Autors, die nicht zwingend in jeglicher Hinsicht, aber in seiner Breite durch den BFA getragen wird. Er fließt in die Arbeit des Vereins maßgeblich ein. Das Verwenden des Expertisentextes, auch auszugsweise, ist aus urheberrechtlichen Gründen nur mit Quellenangabe und Hinweis auf den Autor zulässig.



(BFA - 04.06.2022)




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