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Schuldenbasierte Finanzierung des Bundeshaushaltes

Ein Bericht von Karsten Stening vom Politischen Beirat des BFA



wolfgang.kaiser@bfa-verein.de
Karsten Stening ist finanzpolitischer Sprecher im Politischen Beirat des BFA

Die Absicht von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), für den Bundeshaushalt ab 2023 weitgehend auf neue Schulden zu verzichten und dadurch die Regel-Schuldenbremse wieder einzuhalten, begrüßt der BFA.


Das ist ein klares Signal an die Ministerien, sich auf ihre jeweiligen Kernkompetenzen und Prioritäten zu konzentrieren. Dennoch sollten die Bürger wissen, dass die neue Bundesregierung die Regel-Schuldenbremse in den kommenden Jahren nur deshalb einhält, weil sie Rücklagen abbaut und ihre Tilgungs-Verpflichtungen schlicht und ergreifend vertagt.


Die entsprechenden Zahlen verdeutlichen die Herausforderungen: In Summe beträgt die Neuverschuldung des Bundeshaushalts bis 2026 rund 143 Milliarden Euro, hinzukommen 100 Milliarden Euro Schulden für die Bundeswehr, welche in einem sogenannten Sondervermögen enthalten sind.


Die öffentlichen Schulden haben sich in den zurückliegenden 14 Jahren drastisch entwickelt (in Milliarden Euro):

  • öffentliche Gesamtschulden vor der Lehman-Pleite 2008 = 1.578

  • Max. Schuldenstand nach der Lehman-Pleite und der Eurokrise = 2.068

  • Schuldenstand vor Corona = 1.914

  • Schuldenstand Ende 2020 (erstes Corona-Jahr) = 2.173

2021 sollen 110 Milliarden Euro, ebenfalls coronabedingt, hinzugekommen sein, und auch dieses Jahr ist ein coronabedingter Schuldenanstieg von etwa 100 Milliarden eingeplant.


Doch es stehen noch weitere Zahlen im Raum: 60 Milliarden Euro für den verfassungswidrig zweckentfremdeten, coronabezogenen Nachtragshaushalt und 100 Milliarden für die Sanierung der Bundeswehr. Hinzukommen noch 200 Milliarden bis zum Jahr 2025 für Klimaschutzmaßnahmen sowie ein Nachtragshaushalt in bislang unbenannter Höhe für Auswirkungen des Ukraine-Krieges.


Die Verschuldung der öffentlichen Hand hat eine bislang noch nie dagewesene Dimension erreicht. Die Krisen der vergangenen 15 Jahre haben zu einer Aufblähung des Schuldenstandes geführt, von denen der Staat sich nicht erholt hat.


Problem: Ausgabenflut wie bei der Großen Koalition


Der Bund plant für dieses Jahr indes Ausgaben, also solche, bei denen die Aufwendungen für den Ukraine-Krieg noch nicht berücksichtigt sind, von rund 458 Milliarden Euro, die bis 2026 auf 423 Milliarden Euro sinken sollen. Im Vergleich zum Vor-Corona-Haushalt 2019 mit Ausgaben in Höhe von 343 Milliarden Euro, ist dies also ein deutlich höheres Niveau.


Die Steuereinnahmen des Bundes sollen dieses Jahr 333 Milliarden Euro betragen und bis 2026 auf 391 Milliarden steigen.

Das Problem auf den Punkt gebracht, heißt: Die neue Regierung setzt damit die problematische Ausgabenflut wie zuzeiten der Großen Koalition nahtlos fort. Substanzielle Einsparungen sieht die Ampel nicht vor, obwohl sie Ausgabenkürzungen und eine umfassende Neupriorisierung des Etats in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt hatte.


Zudem sind viele Fragen offen; so auch die Entlastung von Bürgern und Wirtschaft bei den historisch hohen Energiekosten oder die finanzielle Absicherung der Sozialversicherungen ab 2023. Diese drängenden Fragen lässt die Ampel-Haushaltsplanung bislang leider unbeantwortet, weshalb das Zahlenwerk in wichtigen Punkten Makulatur ist.


Problem: Bundeswehr-Schulden bleiben, weil die Ampel keine Tilgung plant


Auch das neue Sondervermögen für die Bundeswehr im Umfang von 100 Milliarden Euro offenbart eine zu kurz gedachte Strategie: Mehr Geld für eine bessere Ausrüstung der Bundeswehr wird allein nicht helfen, wenn Beschaffungsstrukturen nicht zeitgleich reformiert und Abstimmungen mit internationalen Partnern in der NATO und der EU nicht verbessert werden. Zudem wird das schuldenfinanzierte Sondervermögen der Bundeswehr nur wenige Jahre zugutekommen: Danach fällt der Verteidigungsetat wieder hinter seine NATO-Zusagen zurück, doch die Bundeswehr-Schulden werden bleiben, weil die Ampel keinen Tilgungsplan vorsieht.


Die Belastung der Bürger


Deutschland hat die zweithöchste Steuer- und Abgabenquote aller OECD-Länder. Nicht der Besserverdiener, sondern die Durchschnittsverdiener leiden am stärksten unter der Abgabenlast. Für Steuern und Sozialabgaben beansprucht der Staat bei Singles mit 49,4 Prozent fast die Hälfte des Einkommens. Im Durchschnitt sind es in den wichtigsten Industriestaaten nur 36 Prozent, also gut ein Drittel. Die Belastung bei einem idealtypischen Familienhaushalt mit zwei Kindern, bei dem ein Ehepartner der Alleinverdiener ist, beträgt 34 Prozent. Dazu kommen noch staatlich verordnete Abgaben wie die EEG-Abgabe zur Ökostromförderung, die Lkw-Maut, die auf Verbraucherpreise durchschlägt oder die Rundfunk- und Fernsehgebühren. Durchschnittsverdiener mit einem Jahreseinkommen von 50.000 bis 60.000 Euro leiden am stärksten unter der Abgabenlast. Hier liegt diese bei 48 Prozent, womit Facharbeitern von jedem verdienten Euro nur 52 Cent bleiben.


Besonders alarmierend ist allerdings der steile Anstieg am unteren Ende der Einkommenskala. Selbst wer weniger als 10.000 Euro im Jahr verdient und deshalb keine Einkommensteuer abführt, drückt über Sozialbeiträge und indirekte Steuern wie die Mehrwertsteuer, 35 Prozent an den Staat ab. Und schon bei 38.000 Euro Jahreseinkommen erreicht dieser Wert 45 Prozent.

Abschließend lässt sich festhalten, dass der erste mittelfristige Finanzausblick der Ampel-Regierung viele Fragen offenlässt und nachgebessert werden muss. Das System stößt an seine Grenzen. Vor allem eine Priorisierung der Ausgabenwünsche und –verpflichtungen ist unbedingt erforderlich.


Weniger kann mehr sein!



(BFA - 26.04.2022)






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