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Wo die Reise hingeht: Deutschlands marode Brückenbauwerke

Aktualisiert: 15. Feb. 2022

BFA-Verkehrsexperte Tobias Löffelsend sieht Autobahnen als Sanierungsfall



wolfgang.kaiser@bfa-verein.de
Tobias Löffelsend: Sprecher für Verkehr und Infrastruktur des BFA

Wenn der Name der italienischen Hafenstadt Genua fällt, dann verbinden das viele mit Erinnerungen an einen Urlaub. Doch es sind auch die schrecklichen Bilder von 2018, die uns im Gedächtnis bleiben: am 14. August stürzte der westliche der drei jeweils 90 Meter hohen Pylonen der Morandi-Brücke ein und riss ein 250 Meter langes Teilstück in die Tiefe. Das Unglück kostete 43 Menschen das Leben.


Diese Tragik ist das dramatische Ergebnis jahrzehntelanger Abnutzung und fehlender Infrastrukturüberprüfung der Schrägseilbrücke. Nichts ist unendlich, schon gar nicht Beton bei stetig wachsender Verkehrsdichte durch Schwerlastverkehr.


In Deutschland zeigte man sich bestürzt und zugleich sicher, dass ein solches Unglück im eigenen Land nicht passieren könne; allerdings gilt es ernüchternd festzustellen, dass uns eine derartige Tragödie sehr wohl ereilen kann.


Waren in Deutschland im Jahr 2011 noch 2,44 Millionen Lastkraftwagen auf Autobahnen unterwegs, sind es 2021 schon 3,41 Millionen gewesen. Diese Steigerung muss eine Infrastruktur auch tragen können. Über Jahre hinweg hat aber die Politik – im konkreten Falle das Bundesverkehrsministerium – die Prioritäten auf weniger wichtige Dinge gelenkt, statt sich auf das zu fokussieren, was sicherlich mehr vonnöten gewesen wäre: Die Erhaltung unserer Autobahnbrückenbauwerke und eine Verkehrswende, um den Güterverkehr auf die Schiene zu verlagern.


Im aktuellen Fall trifft es die Talbrücke Rahmede an der Bundesautobahn 45 bei Lüdenscheid. Die Brücke muss gesprengt und erneuert werden, und der Teilabschnitt wird über Jahre gesperrt sein. Die Sauerlandlinie verbindet den zentralen Teil unserer Republik mit Nordrhein-Westfalen und der Hansalinie in den Norden. Ihr Ausfall bedeutet, dass der komplette Transitverkehr über Jahre von der Autobahn in die umliegenden Dörfer umgeleitet wird.


Die Infrastruktur dieser Umleitungsstrecke genügt allerdings nicht, um einen störungsfreien Umleitungsbetrieb zu ermöglichen. Die Häuser an den Straßenrändern werden massive Schäden durch den Schwerlastverkehr erleiden, und die Straßen werden ebenfalls im Anschluss sanierungsbedürftig sein. Erschwerend kommt hinzu, dass die Autobahn-Betreibergesellschaft des Bundes zu dem Ergebnis kam, dass 60 Brücken auf der A45 dringend erneuert werden müssen, da diese zu stark abgenutzt, marode und zum Teil einsturzgefährdet sind. Dies ist das Ergebnis eines massiven Versagens der Politik. Träume hinsichtlich der Erlöse aus den Einnahmen der LKW-Maut stellen sich nun als dar, was sie immer waren: Träume.


Dass es besser geht, beweisen unsere Nachbarn. In den Niederlanden, in Österreich, Frankreich und in der Schweiz. Dort wird uns vorgeführt, in welchem Zustand Autobahnen und Brücken sein können. Hier sollten Deutschlands Verantwortlichen lernen, wie es richtig geht.


Erschwerend wirkt sich aus, dass sämtliche Baufirmen auf Jahre volle Auftragsbücher aufweisen. Auch der Fachkräftemangel ist zusätzlich erschwerend. Zudem sind aufwendige Vergabe- und Ausschreibungsrichtlinien ein massives Hindernis, um möglichst schnell Abhilfe schaffen zu können. Die Politik dreht sich seit Jahren im Kreis, und es bleibt festzustellen, dass bislang nur eine Autobahn thematisch benannt wurde. Andere Autobahnen mit Brückenkonstruktionen haben dasselbe Problem. Man hat die Bauwerke bis zum Schluss abgenutzt, ohne rechtzeitig zu investieren. Beispiele gibt es genug, darunter die A1, die A3 und die A7.


Die neue Ampel-Koalition, immerhin eine Regierung unter Beteiligung der Grünen, wird wenig Interesse an der Straßeninfrastruktur unserer Autobahnen haben. Hier gewichtet man die Prioritäten, zumindest laut Koalitionsvertrag, anders: Die Aussagen zu Erhalt und Sanierung sind unbestimmt und ob die finanziellen Mittel, die bereit gestellt werden sollen, ausreichen, bleibt völlig offen.


Als Fazit mahnt der Bürgerlich-Freiheitliche Aufbruch: Um schnellstmöglich Abhilfe zu schaffen, müssen finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt und die aufwendigen Vergabeverfahren vereinfacht werden, um den Bürokratieprozess zu minimieren und ein schnelles Handeln zu gewährleisten. Zudem müssen Fachkräfte ausgebildet und generiert werden.


Dennoch wird uns dieses Thema noch Jahrzehnte begleiten und uns die Hoffnung tragen, dass wir in Deutschland niemals ein „Genua“ erleben.



(BFA - 14.02.2022)






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